Für Kontinentaleuropäer ist die deutsche Trinkgeldkultur kein Problem. Auf dem Kontinent ähneln sich die Gewohnheiten weitgehend.

Besonders für US-Amerikaner und -Amerikanerinnen hält die deutsche Trinkgeldkultur aber Überraschungen bereit. Trinkgeld wird auch hier gern genommen – besonders in Restaurants und Hotels, im Taxi oder beim Friseur. Anders als in den USA wird es aber nicht gefordert. Es ist eine vollkommen freiwillige Zugabe, keine verdeckte Steuer.

Klar ist: Der Preis, den Sie auf einer deutschen Speisekarte lesen, ist der Preis, den Sie am Ende auch zu bezahlen haben. Der Service und alle Steuern müssen im Preis inbegriffen sein.

Trotzdem ist es üblich, im Restaurant Trinkgeld zu geben – als Dank und Anerkennung für gute Qualität und guten Service. Wie viel das ist, ist dem Gast selbst überlassen.10% sind eine gute Orientierung. Oft wird auf einen runden Betrag aufgerundet. Und je höher der Rechnungsbetrag ist, desto niedriger fällt tendenziell das prozentuale Trinkgeld aus.

Wenn man das nicht weiß, gibt man als Amerikanerin oder Amerikaner natürlich leicht viel mehr Trinkgeld als in Deutschland üblich ist. Das ist dann kein Problem, sondern eine freudige Überraschung.

Eine Ausnahme erlebte Jeanne aus den USA bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch in Meersburg. Jeanne war gerade erst aus den USA zu einem deutschen Unternehmen gewechselt, und ich hatte es versäumt, sie auf die hiesigen Gepflogenheiten hinzuweisen.

So kam es, dass Jeanne rund 25% Trinkgeld geben wollte. Aber da sagte die freundliche Kellnerin doch tatsächlich: „Entschuldigung, aber das ist zu viel.“ So etwas hatte Jeanne noch nie erlebt. Sie verständigte sich mit der Kellnerin auf einen deutlich niedrigeren, aber für deutsche Verhältnisse immer noch sehr großzügigen Betrag.

Aber auch wenn man als Amerikaner über das hiesige System informiert wurde, schützt das nicht unbedingt vor Peinlichkeiten. Das habe ich erlebt, als ich mit Jeannes Landsmann Scott in einer nahegelegenen Stadt zum Abendessen war. Leider war der Service dort wirklich schlecht. Der Kellner war langsam und unfreundlich. Und was er Scott schließlich brachte, war nicht das, was Scott bestellt hatte.

Als der Kellner dann mit der Rechnung kam, sprach Scott ihn an:

Man hat mir gesagt, dass in Deutschland der Service im Preis inbegriffen ist. Stimmt das?“ „Ja, das ist richtig.“ „Und wie viel ist das?“ „20 Prozent.“ „dann möchte ich diese 20% bitte zurückbekommen, denn das war kein angemessener Service.

Der Kellner bekam einen roten Kopf, und nachdem Scott exakt den Rechnungsbetrag entrichtet hatte, verließen wir schnell das Lokal. Ich war seitdem nie wieder da.

Übrigens erzählte man sich in Europa, dass Mark Zuckerman, nachdem man ihm gesagt hatte, dass man in Europa kein Trinkgeld geben muss, auf seiner Hochzeitsreise in den teuersten Restaurants Italiens keinen Cent Trinkgeld gegeben habe.

Beliebter hat ihn das nicht gemacht.