Kennen Sie das Rosinen-Paradoxon? Wahrscheinlich nicht, denn es ist eher ein Insiderscherz unter Freunden der Kulinarik. Das Rosinen-Paradoxon geht so:

„Niemand mag Rosinen, trotzdem sind sie überall drin.“

OK – das ist vielleicht eine etwas holprige Einleitung. Kommen wir also zu dem, was ich das ‚Interkulturelle Paradoxon‘ nenne. Es beruht auf Erfahrungen aus mehr als drei Jahrzehnten interkulturellen Coachings.

Culture Management

Es ist ein doppeltes Paradoxon:

„Wer sich für interkulturelles Coaching interessiert, braucht es eigentlich nicht mehr.“

Aber eben auch:

„Wer glaubt, interkulturelles Coaching nicht zu brauchen, hätte genau dies dringend nötig.“

Ich will das kurz erläutern. In zahlreichenren interkulturellen Seminaren über ‚Deutschland und die Deutschen‘ habe ich zu fast 100% Menschen kennen gelernt, die für Informationen über kulturelle Unterschiede offen waren. Unsere Informationen waren hoffentlich nützlich für sie. Aber diese Menschen wären vermutlich auch ohne diese Informationen in einem neuen kulturellen Umfeld erfolgreich gewesen. Denn sie brachten schon die eine Eigenschaft in unsere Seminare mit: das Bewusstsein für interkulturelle Unterschiede.

Die meisten internationalen Führungskräfte, die eine neue Aufgabe in Zentraleuropa übernehmen und glauben, kein interkulturelles Training zu brauchen, habe ich natürlich gar nicht kennen gelernt. Einige davon aber schon.

Hin und wieder bekommen wir nämlich von Unternehmen Anmeldungen zu einem Deutschkurs mit einer Zusatzinformation aus dem Personalbereich. Diese Zusatzinformation lautet dann etwa so:

„Eigentlich braucht er (es ist fast immer ein ‚er‘) ein interkulturelles Training. Das lehnt er aber ab. Einen Deutschkurs akzeptiert er zähneknirschend. Können Sie da nicht etwas Interkulturelles mit reinpacken?“

Das können wir natürlich – und wir machen es gern. Für unsere geschätzten Firmenkunden ist das übrigens die kostengünstigste Form interkulturellen Trainings.

Hier zwei Beispiele für interkulturelle Ignoranz:

Nicht nur einmal hat mir ein Manager gesagt: „I know how things are done. I don’t need that kind of cross cultural stuff.“ Sie dürfen raten, aus welchem Land diese Klienten überwiegend kamen.

Als ein US-amerikanischer Konzern ein mittelgroßes deutsches Unternehmen übernommen hatte, beauftragte uns das Topmanagement dieses Konzerns, ein Konzept für ein interkulturelles Seminar mit dem Ziel der reibungslosen Integration der beiden Unternehmen vorzulegen.

Das haben wir natürlich gern getan. Wir legten ein wissenschaftlich gut begründetes Angebot über zwei Tage mit einer hochqualifizierten amerikanischen Trainerin und einem ebenso qualifizierten deutschen Coach vor.

Die Antwort aus den USA fanden wir einigermaßen schockierend:

„Nein, nein, nein – das ist viel zu viel Zeit. Wir stellen uns das so vor: Wir setzen uns drei oder vier Stunden mit den deutschen Kollegen zusammen und erzählen einander, wie wunderbar wir sind.“

Damit waren wir natürlich aus dem Spiel. So kann interkulturelles Training nicht funktionieren.

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